KÜNDIGUNG NACH DATENSCHUTZWIDRIGER VIDEOÜBERWACHUNG AM ARBEITSPLATZ

Sep. 2023

Ausgangslage

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) definiert mit seinem Urteil vom 29.06.2023 – 2 AZR 296/22 einen neuen Rahmen für die Verwertung von datenschutzwidrig erzeugtem Videoüberwachungsmaterial durch den Arbeitgeber als Beweismittel in einem Kündigungsschutzprozess.

Im vorliegenden Fall erstreitet sich ein Arbeitnehmer, der wegen eines mutmaßlichen Arbeitszeitbetrugs fristlos gekündigt wurde, über zwei Instanzen einen Erfolg im Kündigungsschutzprozess. Beide Instanzen halten rechtswidrig entstandenes bzw. gespeichertes Videomaterial für nicht verwertbar.

Die letzte Instanz, das BAG, wirft diese Rechtsauffassung der Vorinstanzen jedoch gänzlich um. In seinem Urteil rügt das Gericht die Vorinstanzen wegen ihrer zu oberflächlichen Prüfung und somit überschnellen Feststellung eines Verwertungsverbots des rechtswidrig vorgehaltenen Videomaterials.

 

Entscheidungsinhalt

Das BAG beschäftigt sich mit der Frage, ob Videomaterial, welches durch den Arbeitgeber entgegen Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 DSGVO gespeichert wurde, in dem zu Grunde liegenden Kündigungsschutzrechtsstreit als Beweismittel verwendet werden darf.

Die betroffene Kamera war im konkreten Fall offen angebracht und durch Piktogramm ausgewiesen. Der Hinweis auf die Aufzeichnung und Speicherung des Bildmaterials fehlte jedoch.

So kam es, wie es kommen musste: Die Kamera zeichnete einen Arbeitnehmer auf, der für eine Schicht einstempelte und anschließend das Betriebsgelände in den vorzeitigen Feierabend verließ. Die auf das Ausgangstor samt „Stechuhr“ gerichtete Kamera zeichnete dieses Verhalten auf. Das Material wurde gespeichert und später im Prozess als Beweis hinzugezogen.

Der klagende Arbeitnehmer bleibt vor dem BAG mit dem Argument des Verwertungsverbots erfolglos. Ein Verwertungsverbot kommt nur in Betracht, wenn dies wegen einer durch das Grundgesetz geschützten Rechtsposition zwingend geboten ist.

Das BAG orientiert sich hier am europäischen Gerichtshof und bekräftigt, dass „das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung kein uneingeschränktes Recht ist, sondern im Hinblick auf seine gesellschaftliche Funktion und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegen andere Grundrechte abgewogen werden muss“.

Die Antwort des BAG auf die vorliegende Frage lautet deshalb eindeutig, dass ein auf dieses Grundrecht gestütztes Beweisverwertungsverbot regelmäßig für Bildsequenzen aus einer offenen Videoüberwachung ausscheidet, die vorsätzlich begangene Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers zulasten seines Arbeitgebers zeigen. In diesen Fällen komme es nicht auf die Rechtmäßigkeit der gesamten Überwachungsmaßnahme an.

Die entscheidende Kritik gegenüber den Vorinstanzen lautet folglich, dass eine Beweisverwertung bei erheblichen Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers nicht allein auf Grund einer bloß möglichen Grundrechtswidrigkeit gänzlich unterbleiben darf.

 

Folgen der Entscheidung

Bisher besteht hinsichtlich einer Videoüberwachung verbreitet das Gefühl, dass datenschutzwidrig erhobene Daten in einem Prozess generell nicht verwertbar sind. Doch die Entscheidung des BAG, sowie auch viele Einzelfälle zur Verwertung von Dashcam-Aufnahmen zeigen, dass es stets auf den konkreten Sachverhalt und die darin vorzunehmende Abwägung und Verhältnismäßigkeitsprüfung ankommt.

Das Gefühl, bei rechtswidrigen Aufzeichnungen geschützt zu sein, dürfte mit diesem Urteil deutlich geschwächt werden. Gerade für Arbeitgeber hat diese Entscheidung eine günstige Konnotation: Zweifellos darf ein Arbeitgeber auch nach dieser Entscheidung nicht ungehemmt seine Angestellten ausspähen und dauerüberwachen. Genau dies lag hier aber nicht vor – ein Grund mehr, weshalb der Arbeitgeber das Videomaterial erfolgreich anbieten durfte.

Arbeitgeber erhalten also mit dieser Entscheidung eine wesentliche Erleichterung der Beweiserbringung, wenn es darum geht, Arbeitnehmer eines erheblichen Fehlverhaltens zu überführen.

 

Handlungsempfehlung

Sollten Sie sich als Arbeitgeber in der Situation befinden, dass Sie Beweismittel haben, die Ihnen den Prozess erheblich erleichtern, Sie aber nicht wissen, ob oder wie Sie diese nutzen dürfen, wenden Sie sich an die Experten von up rechtsanwälte.

Wir prüfen für Sie, ob die erhobenen oder gespeicherten Daten mit dem Datenschutzrecht vereinbar sind, und zeigen Ihnen Wege auf, wie Sie diese Konformität (wieder-)herstellen können.

Die genannte Entscheidung zeigt jedoch darüber hinaus, dass ein Prozess noch lange nicht allein deshalb verloren ist, weil Daten rechtswidrig erlangt wurden. Wir gehen den Weg mit Ihnen gemeinsam – rechtssicher und professionell.

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