Können Gesellschafter einer Rechtsanwaltsgesellschaft sozialversicherungspflichtig sein?

Jul. 2022

Mit Urteil vom 28.6.2022 hat das Bundessozialgericht entschieden, dass auch Rechtsanwälte, welche in einer Rechtsanwaltsgesellschaft als Gesellschafter-Geschäftsführer tätig sind, aufgrund abhängiger Beschäftigung sozialversicherungspflichtig sein können.

Hintergrund der Entscheidung:

Rechtsanwälte haben sich in den letzten Jahren vermehrt in Rechtsanwaltsgesellschaften, zum Beispiel in Partnerschaftsgesellschaften, organisiert.

Das Bundessozialgericht hatte sich mit der Frage zu befassen, ob die in der Gesellschaft tätigen Gesellschafter-Geschäftsführer der Sozialversicherungspflicht unterliegen, d. h. in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen.

Der Gegenstand der Gesellschaft war im zu entscheidenden Fall, wie vom Bundessozialgericht in der Terminvorschau ausgeführt wie folgt definiert:

Die Übernahme und die Ausführung von Anwaltsaufträgen, insbesondere die Beratung und Vertretung in Rechtsangelegenheiten und alle damit im Zusammenhang stehenden Geschäfte, die durch in Diensten der Gesellschaft stehende, zugelassene Rechtsanwälte unabhängig, weisungsfrei und eigenverantwortlich unter Beachtung ihres Berufsrechts ausgeführt“ werden.

Bei den Klägern handelte es sich um die geschäftsführenden Gesellschafter, welche jeweils 20 % bzw. 25 % der Gesellschaftsanteile unterhielten. Im Verfahren hatten die Rechtsanwälte das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit damit begründet, sie seien gemäß § 1 BRAO (Bundesrechtsanwaltsordnung) ein unabhängiges Organ der Rechtspflege. Außerdem sei gemäß § 59ff BRAO die Unabhängigkeit der Geschäftsführer bei der Ausübung des Anwaltsberufes zu gewährleisten. Einflussnahmen der Gesellschafter, namentlich durch Weisungen oder vertragliche Bindungen, seien nach dieser Vorschrift unzulässig.

Die Entscheidung des BSG:

Das Bundessozialgericht hat entschieden, dass die Geschäftsführer aufgrund abhängiger Beschäftigung sozialversicherungspflichtig tätig sind.

Auf die von den Rechtsanwälten vorgetragenen Argumente komme es nicht an. Die Regelungen der Bundesrechtsanwaltsordnung würden lediglich die fachliche Unabhängigkeit der Rechtsanwälte in ihrer anwaltlichen Tätigkeit gewährleisten. Die Geschäftsführer könnten dennoch in das Unternehmen eingegliedert sein und den Weisungen der Gesellschafterversammlung unterliegen.

Das Bundessozialgericht hat damit seine seit 2012 vertretene Rechtsauffassung konsequent weitergeführt und insoweit weiter konkretisiert.

Wie bereits in einer Vielzahl von Entscheidungen zum Ausdruck gebracht, liegt eine selbstständige Tätigkeit nur dann besteht, wenn der Gesellschafter/Geschäftsführer ihm unangenehme Weisungen kraft seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung verhindern kann. Entscheidend ist, ob der Geschäftsführer über die gesellschaftsrechtliche Rechtsmacht verfügt, die Geschicke des Unternehmens zu bestimmen.

Konkret bedeutet dies, dass eine selbstständige Tätigkeit vorliegt, wenn der Gesellschafter über eine Mehrheit der Stimmen in der Gesellschafterversammlung verfügt oder über eine sogenannte Sperrminorität.

Von einer Sperrminorität ist auszugehen, wenn der Gesellschafter zwar nicht über eine Mehrheit der Stimmanteilen verfügt, durch seinen Stimmenanteil jedoch, im Hinblick auf die Regelungen in der Satzung zur Beschlussfassung, ihm unangenehme Beschlüsse verhindern kann, ihm also ein Vetorecht zusteht.

Zusammenfassung:

Die Entscheidung des Bundessozialgerichtes ist im Hinblick auf die seit 2012 eingeführte Rechtsprechung nachvollziehbar und schlüssig. Wie allgemein bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung kommt es für die Frage der Sozialversicherungspflicht des Geschäftsführers entscheidend darauf an, ob die Gesellschafter/Geschäftsführer über eine Stimmenmehrheit oder Sperrminorität verfügt. Um nicht zu einem späteren Zeitpunkt hohen Nachforderungen ausgesetzt zu sein oder gar einem Strafverfahren, sollte bereits im Vorfeld der sozialversicherungsrechtliche Status geprüft werden. Zum einen bedarf es gegebenenfalls einer Anpassung der gesellschaftsrechtlichen Regelungen, insbesondere der Satzung bzw. des Gesellschaftsvertrages. Zum anderen ist, zumindest in Zweifelsfällen, ein Statusfeststellungsverfahren durchzuführen, um auch für die Zukunft Rechtssicherheit zu haben.

Wir beraten bzw. betreuen unsere Mandantin im Vorfeld und vertreten sie in sämtlichen Verfahren, wie z.B. Statusfeststellungsverfahren, sozialversicherungsrechtlichen Betriebsprüfungen, Beitragsbescheiden usw.

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