Vertrauensschutz in sozialrechtlichen Betriebsprüfungen

Jul. 2020

Vertrauensschutz in sozialrechtlichen Betriebsprüfungen: doch ein Hoffnungsschimmer?

Das Bundessozialgericht hat in verschiedenen Entscheidungen vom 19.9.2019 wegweisende Feststellungen zum Vertrauensschutz in Bezug auf sozialrechtliche Betriebsprüfungen, welche ohne Beanstandungen verlaufen sind, getroffen.

Insbesondere für die Zukunft können diese Entscheidungen für Betriebsinhaber eine enorme (positive) praktische Bedeutung haben.

Zum Hintergrund:

Seit 2012 hat sich das Bundessozialgericht in einer Vielzahl von Entscheidungen damit befasst, unter welchen Voraussetzungen GmbH-Geschäftsführer in sozialrechtlicher Hinsicht als Beschäftigte, mit der Folge der Sozialversicherungspflicht, einzustufen sind und wann diese als selbstständig, also sozialversicherungsfrei, gelten.

Das Bundessozialgericht hat, kurz zusammengefasst, den Grundsatz entwickelt, dass immer dann von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen ist, wenn der Geschäftsführer, der auch Gesellschafter ist, weder über die Mehrheit der Anteile verfügt noch über eine sogenannte Sperrminorität.

Entscheidend sei, ob der Geschäftsführer die „Rechtsmacht“ hat, ihm unangenehme Weisungen zu erteilen.

Vor dieser Konkretisierung der Rechtsprechung wurde immer wieder diskutiert, ob nicht auch der Geschäftsführer, der letztendlich „Kopf und Seele“ des Unternehmens ist und daher tatsächlich den Betrieb leitet, ohne Weisungen zu unterliegen, als selbstständig zu beurteilen ist.

Das Bundessozialgericht hat diese Argumentation zuletzt ausdrücklich zurückgewiesen.

In der Praxis hat sich daher die Frage gestellt, inwieweit es im Rahmen von sozialrechtlichen Betriebsprüfungen zulässig ist, nachträglich Sozialversicherungsbeiträge in Bezug das Anstellungsverhältnis von Geschäftsführer zu erheben.

Musste nicht von einem Vertrauensschutz ausgegangen werden, da die Rechtsprechung erst seit 2012 die dargestellte klare Abgrenzung vorgenommen hat?

Durften die betroffenen Betriebsinhaber nicht auf die Bindungswirkung der in der Vergangenheit beanstandungsfrei durchgeführten Betriebsprüfungen vertrauen?

Ist es möglich, trotz dieser Betriebsprüfungen Beiträge auch für die Vergangenheit nachzufordern?

In verschiedenen Entscheidungen vom 19.9.2019 wurden die Fragen zum Vertrauensschutz vom BSG teilweise geklärt.

Zunächst hat das Bundesozialgericht darauf hingewiesen, dass aus Betriebsprüfungen, welche in der Vergangenheit beanstandungsfrei verlaufen sind, kein Vertrauensschutz hergeleitet werden könne. 

Hintergrund sei, dass Betriebsprüfungen den Zweck hätten, die Beitragsentrichtung im Interesse der Versicherungsträger und der Versicherten sicherzustellen. Aus Ihnen ergebe sich keine Entlastungswirkung zugunsten des Arbeitgebers, weil sie nicht umfassend oder erschöpfend sein müssen und sich auf bestimmte Einzelfälle oder Stichproben beschränken dürfen.

Das Bundessozialgericht in den Entscheidungen aus dem September 2019 seine bisherige Rechtsprechung zum Vertrauensschutz weiterentwickelt.

Zwar bleibt es grundsätzlich dabei, dass Betriebsprüfungen nur stichprobenartig durchgeführt werden und der Rentenversicherungsträger den Gegenstand der Betriebsprüfung grundsätzlich frei festlegen kann. 

Allerdings hat sich die Betriebsprüfung nun zwingend auf die im Betrieb tätigen Ehegatten, Lebenspartner, Abkömmlinge des Arbeitgebers sowie geschäftsführende GmbH-Gesellschafter, sofern ihr sozialversicherungsrechtlicher Status nicht bereits durch Verwaltungsakt festgestellt ist zu erstrecken, ferner auf Statusfeststellunganträge, welche nach Beginn der Betriebsprüfung gestellt wurde. 

Außerdem ist der Rentenversicherungsträger seit dem 1.1.2017 verpflichtet jede Betriebsprüfung mit einem Verwaltungsakt abzuschließen. Dies bedeutet, dass der Versicherungsträger ausdrücklich Entscheidungen über die Versicherungspflicht an sich sowie die Höhe der zu zahlenden Beiträge zu treffen hat. Der Rentenversicherungsträger ist verpflichtet alle geprüften Sachverhalte und das jeweilige Ergebnis der Prüfung darzustellen.

In Bezug auf die getroffenen Feststellungen besteht sodann auch ein Vertrauensschutz.

Außerdem wird aus den Ausführungen des Bundessozialgerichtes geschlossen, dass der Betriebsinhaber berechtigt ist, eine verbindliche Entscheidung über konkrete Sachverhalte, d. h. das Bestehen einer Versicherungspflicht bzw. die Höhe der Beiträge, zu verlangen.

In diesen Fällen sei der Versicherungsträger dann verpflichtet diese Sachverhalte in die Prüfung einzubeziehen und konkrete Feststellungen zu treffen.

Zusammengefasst ist somit in Bezug auf die Entscheidungen des Bundessozialgerichts festzustellen, dass ein Vertrauensschutz für die seit dem 1.1.2017 durchgeführten Betriebsprüfungen immer dann besteht, wenn sich die Betriebsprüfung auf den konkreten Sachverhalt erstreckt hat und dies im abschließenden Bescheid zum Ausdruck kommt.

In der Praxis bedarf es daher einer sorgfältigen Bewertung der abschließenden Feststellungen sowohl in Bezug auf die Form (Feststellungsbescheid oder Prüfmitteilung) wie auch in Bezug auf den Inhalt. 

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Max Dengler

Fachanwalt für Sozial- und Versicherungsrecht

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